002 Wie alles begann…
Es war schon spät als Fionar aufwachte, denn die Sonne war schon seit langen aufgegangen, wie sie durch die Fenster erkennen konnte. Rune schlief noch neben ihr. Sie beugte sich über ihn und strich eine Strähne seiner grau gewordenen Haare aus dem Gesicht. Sein Atem ging rasselnd, war aber gleichmäßig. Langsam erhob sich Fionar aus dem Bett. Sie spürte selbst das Alter in den Knochen. 65 war sie nun. Sie zog sich langsam an und verließ dann leise das Zimmer.
In der Diele war Miri dabei, das Geschirr vom Frühstück abzuwaschen.
„Guten Morgen, Fionar“, begrüßte sie sie. „Habt ihr gut geschlafen? Was ist mit Rune? Geht es ihm nicht gut?“ Sie sah ein wenig besorgt aus.
„Euch auch einen guten Morgen. Und ja ich habe so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen. Das gleiche gilt für Rune, der auch immer noch schläft. Die Reise war doch sehr anstrengend, aber es geht ihm, wie mir scheint besser.“ Fionar lächelte.
„Mir scheint wir haben das Frühstück verpasst.“
„Wir wollten euch nicht wecken. Lorik und die Kinder sind zeitig raus, um nach den Fischnetzen zu schauen. Der Kutscher ist auch schon wieder aufgebrochen. Ihm scheint die Gegend nicht sonderlich zu gefallen.“ Miri grinste. „Nun setzt euch aber erst mal hin und macht euch etwas zum Frühstück.“ Sie holte zwei Teller und stellte sie vor Fionar hin, die sich an den großen Tisch gesetzt hatte. Dann holte sie Brot und Aufschnitt und stellte es dazu. „Was möchtet ihr trinken? Milch oder lieber Tee?“
„Wenn es keinen Umstände macht Kräutertee.“
„Natürlich macht es keine Umstände.“ Während Miri Wasser in dem kleinen Kesser aufsetzte, kam auch Rune, der zwischenzeitlich aufgewacht war und sich angekleidet hatte. Fionar sah ihn lächelnd an. Er begrüßte Miri und setzte sich dann zu Fionar.
„Was wollt ihr an eurem ersten Tag zuhause machen? Habt ihr irgendwelche Pläne?“
„Nein“, antwortete Fionar. „ich denke wir schauen einfach mal und lassen alles einfach auf uns zukommen.“ Rune nickte.
Sie frühstückten erst mal gemütlich und Fionar half anschießend beim Abdecken und Abwaschen, obwohl Miri protestierte.
„Ich bin zwar alt, Kindchen, aber ein bisschen mit anfassen kann ich schon noch“, grinste Fionar.
Nach dem sie fertig waren beschlossen Rune und Fionar etwas spazieren zu gehen. Das Wetter war schön und das musste man ausnutzen. Miri hatte ihnen gesagt, dass es abends etwas Warmes zu essen gab, da sie Tagsüber ja meist alle beschäftigt waren. Fionar und Rune gingen langsam hinunter zum Sumpf in Richtung der alten Steine, wo tagsüber ein Heer von Schmetterlingen herumschwirrte und nachts Glühwürmchen herum tanzten. Sie Setzten sich auf einen der Steine und genossen die Friedliche Stimmung, die von dem Platz ausgingen. Außer dem Quaken der Frösche und dem Gezwitscher der Vögel war nichts zu hören. Gegen Mittag kehrten sie zurück zum Haus. Rune legte sich nachdem sie etwas Brot gegessen hatten hin und Fionar ging in die Bibliothek. Sie staunte wie viele Bücher zusammen gekommen war. Sie selbst hatte ja kaum Zeit gehabt welche zu beschaffen.
Als Rune wieder wach wurde gesellte er sich zu ihr. Auch er las sehr gerne. Als Fionar hörte wie Miri anfing das Abendessen vorzubereiten, gesellte sie sich zu ihr und half ihr. Kurz vor dem Abendessen kamen Lorik und die Kinder zurück. in ihrer Gesellschaft befand sich ein Mann, der eine kaiserliche Rüstung trug. Es war Miris Bruder Marlon, der sich ein paar Tage frei genommen hatte, als er erfuhr, das seine Tante und ihr Mann heim kommen würde. Da er nicht genau wusste, wann die beiden kommen würden, hatte er sich auf gut Glück aufgemacht. Er war ein großer kräftiger Bursche und erinnerte Fionar sehr an ihren Bruder.
"Tante Fio, ich freue mich wahnsinnig euch endlich kennenzulernen. Ihr müsst uns alles erzählen, was ihr erlebt habt."
"Oh ja", fiel der kleine Tonar ein." Wahr ihr wirklich in der Diebesgilde? Und habt ihr euch echt mit der bösen alten Maven Schwarzdorn und ihrer Familie angelegt? Könnt ihr mir zeigen, wie man Schlösser aufbricht?" bei der letzten Frage sah er Rune bettelnd an.
"Nun kommt erst mal zu Tisch, bevor das Essen kalt wird", lenkte Miri ab. nachher sehen wir weiter. Sie setzen sich alle an den großen Esstisch und begannen das Abendmahl.
Als sie fertig waren räumten Miri und Fionar ab, während die Kinder den Abwasch gemeinsam erledigen mussten. Da das Wetter noch schön war, wurde beschlossen sich anschließend oben auf die Terrasse zu setzten. Die Bänke und Stühle waren sehr bequem und man konnte sie nach Belieben anordnen und In die Mitte wenn es kühler wurde eine Feuerschale in die Mitte stellen.
Als sich es alle draußen gemütlich gemacht hatten, überlegte Fionar etwas.
"Wo sollen wir anfangen?" Sie sah Rune an. Er wusste es auch nicht so genau.
"Ich würde gerne wissen warum ihr überhaupt von Windhelm fortgegangen seid, wo ihr dort doch eigentlich einen großen Hof hattet. Leider hat Vater nie gesagt, was damals passiert ist und ihr nach Rifton gegangen seid."
Fionar überlegte einen Moment. Rune legte ihr seinen Arm um die Taille. Er kannte die traurige Geschichte.
"Nun", begann Fionar.
Wir lebten auf einem Hof außerhalb von Windhelm. Ich war die älteste von uns drei Kindern. Wir bauten auf dem Hof hauptsächlich Weizen an und züchten Ziegen. Damit hatten wir das ganze Jahr über gut zu tun. Wenn wir Kinder nicht mithelfen mussten, spielten wir meist mit den Nachbarskindern und durchforsten die Wildnis hinter den Höfen.
Falk und Jargon sollten später gemeinsam den Hof übernehmen. Von mir wurde erwartet, das ich Janos, einen der Nachbarjungen heiraten würde, weil wir fast alles gemeinsam machten. Janos. Janos war der Jüngste von drei Geschwistern und eineinhalb Jahre älter als ich. Er hatte vor Jäger zu werden. Ich begleitete ihn als ich älter wurde wann immer es passte, denn ich war gerne draußen im Wald. Von ihm lernte ich den Umgang mit dem Bogen und fing an mich für Kräuterkunde zu interessieren. mit Siebzehn verlobten wir uns, weil es erwartet wurde und es auch keinen Grund gab es nicht zu machen. Wir kannten uns fast unser ganzes Leben und verstanden uns gut.
Kurz nach unserer Verlobung brach in Windhelm eine seltsame Krankheit aus. Später fand man raus, das auf einem der Schiffe, die im Hafen von Windhelm anlegten sich Skeever befunden hatten, die Krank waren und denen es gelungen war irgendwie an Land zu kommen und einige der Hafenarbeiter anzustecken. Unser Vater hatte das Pech zum falschen Zeitpunkt unsere Ernte nach Windhelm zu bringen und steckte sich bei einem der Hafenarbeiter an. nach Wenigen Tagen hatte Vater fast die Hälfte seines Gewichts verloren. Und auch Mutter und Falk wurden krank. Ich versuchte alles um den dreien irgendwie zu helfen. Die Stadt hatte man vorübergehend abgeriegelt, nachdem die Krankheit ausbrach und so konnte ich nicht zum Alchemisten gehen um ein Heilmittel herzu stellen. Jargon und mich erwischte es nicht so schwer. Wir bekamen nur Fieber und fühlten uns ein paar Tage lang etwas schwach, aber dann ging es uns auch schon wieder besser. Unsere Eltern und Falk starben alle kurz hintereinander drei Wochen später.
Für Jargon war es besonders schwer. Er hing sehr an seinem großen Bruder und dieser Verlust traf ihn bald schwerer als der Tod unserer Eltern. Janos tröstete mich so gut es ging. Er zog zu uns auf den Hof und gemeinsam versuchten wir diesen weiter zu führen, bis Jargon alt genug wäre, ihn übernehmen zu können. Jargon war ja erst fast 14. Ein Jahr später heiratete ich Janos. Die nächsten zwei Jahre waren nicht einfach. Wir hatten zwei extrem verregnete Sommer und die Winter waren lang. Dadurch war die Ernte schlecht und wir verdienten kaum etwas, sondern hatten ziemliche ausgaben, weil die Tiere trotzdem versorgte werden wollten und Futter brauchten. Daher verkauften wir den Großteil der Tiere um den Verlust zu verringern. Das wiederum führte dazu das wir nicht genug Milch und Käse herstellen konnten und wieder nichts verdienten. Jargon interessierte es wenig und er überließ alle Entscheidungen mit und meinem Mann. Mein Bruder hatte beschlossen zur See fahren zu wollen. Janos und ich konnte ihn nur mit Mühe davon abhalten einfach ab zu hauen. Dann kam es noch schlimmer. Da die Winter extrem streng waren, kamen auch vermehrt die Wölfe und Bären aus dem Bergen zu unseren Höfen um dort etwas zu futtern zu finden. Ein Teil der Männer zog unter Führung von Janos los um zu mindestens einen Teil der Bestien zu erlegen. Die Meisten die mit gingen, waren aber nur einfache Bauern und wussten nicht wie man sich auf der Jagd verhielt. Als einer der Männer einen Bären erwischt hatte, glaubte er dieser wäre tot. Aber dem war nicht so. Janos gelang es noch den Mann in Sicherheit zu schubsen, bevor das Tier noch mal aufsprang und stattdessen Janos mit seinem Pranken den Brustkorb aufriss. Er verstarb noch am Unfallort und man brachte seinen Leichnam nach Hause.
Wie ich die nächsten Monate überstanden habe weiß ich nicht mehr. Jargon war alles andere als eine Hilfe und mit der Zeit gingen mir die Nachbarfrauen nur noch auf die Nerven. Gemeinsam mit Jargon beschloss ich, dass es am Besten wäre den Hof zu verkaufen und anderswo neu anzufangen, wo uns nichts mehr an unsere Familie erinnerte.
Wir, beziehungsweise ich, waren noch mit einem der Interessenten am Verhandeln, als ein Kurier die Nachricht brachte, das ein Onkel von Janos verstorben war und ihm sein Haus in Rifton hinterließ. Als seine Witwe stand mir das Haus nun zu. Janos Brüder wollten es eh nicht haben, daher gab es auch keinen Streit mit ihnen.
Drei Wochen später fuhren Jargon und ich mit einer Kutsche nach Windhelm. Durch das Gold aus den verkauf des Hofes hatten wir genug Gold, um ein neues Leben anzufangen ohne uns Sorgen machen zu müssen.
Jargon war das alles ziemlich egal. Er war recht verschlossen und redete nicht viel. Auch ich zog es vor meinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Vielleicht war das ein Fehler gewesen und ich hätte mich mehr um meinen kleinen Bruder kümmern müssen und ihn aus seiner Trauer herausreißen müssen. Wer weiß wie es dann alles gekommen wäre.
Rune drücke Fionar fester an sich. „Wenn ihr das getan hättet, dann würden wir heute wohl möglich nicht hier alle zusammensitzen, meine Liebste.“ Fionar sah in lächelnd an, dann erzählte sie weiter.
Wir kamen nach einer dreitägigen Fahr mit der Kutsche Abends in Rifton an. Es war ein grauer wolkenverhangener Tag und es nieselte leicht, als wir unsere wenigen Habseligkeiten zum Haus brachten. Wir hatten beschlossen so gut wie nichts mitzunehmen, denn wir wollten ja neu anfangen. Von außen sah das Haus sehr gemütlich aus, aber als wir die Haustür öffneten schlug uns erst mal ein muffiger modriger Gestank entgegen. Niemand hatte sich nach dem Tod von Janos Onkel darum gekümmert, verderbliche Lebensmittel zu entsorgen. Demzufolge hatten sich diverse Tierchen hier breitgemacht. Ich fluchte gewaltig, denn bevor man hier einziehen konnte musste erst mal alles ordentlich sauber gemacht werden. So entschied ich, das wir die erste Nacht im Gasthof verbringen würden und dann am folgenden Morgen beginnen würden, das Haus wohnlich zu machen. Jargon war es egal.
Im Gasthof wurden wir freundlich aufgenommen. Keerava die Wirtin freute sich immer über Gäste. Sie gab uns zwei Zimmer. Nachdem ich mich etwas frisch gemacht hatte, ging ich hinunter in die Gaststube, da ich Hunger hatte. Jargon kam einige Zeit später nach. Die Gaststube war recht gut besucht. Viele Bewohner von Rifton zogen es vor hier abends zu Essen, als sich selbst zu versorgen, sofern sie es sich leisten konnten. Ich hatte mich an einem Tisch in einer Ecke gesetzt, wo wir ein wenig ruhe hatten. Die meisten Anwesenden sahen und recht neugierig an, ließen uns aber in Ruhe. Nach dem Essen gingen wir in unsere Zimmer.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück begannen wir mit dem Ausräumen. Es war trocken, auch wenn die Sonne nicht schien. Glücklicherweise hatten sich keinen größeren Tiere im Haus eingenistet. Auch war zum Glück der Keller weitestgehend sauber geblieben, wenn man mal von dem ganzen Staub absah. Hier unten war auch nichts weiter außer zwei Räume, die bis auf zwei Schränke und ein Bettgestell leer waren. Ich entschied, das ich das größer der beiden Zimmer nehmen würde und Jargon sollte das Kleine bekommen, wo schon das Bett und die beiden Schränke drinnen waren.
Bis Mittag hatten wir gemeinsam fast alles ausgetragen, was nicht nicht verdreckt und nicht mehr nutzbar war. Wir brachten es alles hinunter ans Ufer des See, um es da später gefahrlos zu verbrennen.
Mittagessen nahmen wir wieder bei Keerava ein. Nach dem Essen gingen wir zum Verpfändeten Pfifferling. Die Gastwirtin hatte uns empfohlen dort unsere Einkäufe zu machen. Bersi Honighand hatte günstige Preise und was er nicht im Laden hatte konnte er meist innerhalb weniger Wochen beschaffen. Der Händler und seine Frau Drifa waren sehr nett und freuten sich, das sie wieder Nachbarn hatten. Wir kauften zunächst erst Mal neue Bettwäsche und Felle zum schlafen, dazu alles was man zum kochen und essen benötigte. Was Möbel anging, da lies er mir die Wahl ob ich selbst mit dem Zimmermann sprechen wollte oder diese über Bersi bestellen wollte. Ich beschloss alles über Bersi zu mache, so musste ich mich nicht darum kümmern und hinterherrennen. Ich hatte ziemlich klare Vorstellungen was ich wollte. Ich brauchte ein Bett für mich, zwei Schränke und ein paar Kommoden und Kisten. Das bisherige Schlafzimmer sollte zu einem gemütlichem Wohnzimmer werden. Dafür benötigte ich zwei Sessel und eine Sofa. Dazu diverse Regale. Bersi nahm die Bestellung au und meinte es würde etwas dauern bis alles da wäre. Ich nickte nur und damit war das Geschäft erledigt. Während ich mich mit dem Händler unterhalten hatte, stand Jargon schweigend im Hintergrund.
Nachdem wir alles, was wir schon mitnehmen konnten zusammengepackt hatten und anschließend ins Haus gebracht hatten. Gingen wir hinunter zu dem Haufen mit dem Müll und entzündeten ihn. Die Flammen stiegen hoch und Zwischen drinnen bat ich Jargon auf das Feuer zu achten, damit es nicht auf die Böschung übersprang und einen Flächenbrand verursachte. Ich selbst ging zu den Ställen und kaufte etwas Stroh vom Stallmeister, aus dem ich mir ein provisorischen Lager machen wollte. Und für Jargon eine vernünftige Matratze.
Als ich mein Lager sowie das von Jargon fertig hatte ging ich wieder hinaus zu ihm. Das Feuer war zwischenzeitlich fast runter gebrannt. Zwei Stunden später war nur noch Glut zu sehen, die wir mit Sand bedeckten und uns anschließend ins Haus zurück zogen. Ich machte uns einen Kleinigkeit zu essen und da es doch schon spät war gingen wir auch Zeitig schlafen.
So verbrachten wir dann unsere erste Nacht in unserem neuen Heim.
Fionar machte eine Pause. Bevor sie weiter erzählen konnte, unterbrach Miri sie. Ich denke für heute reicht es. Es ist schon spät. Lasst uns morgen Abend hören wie es weiterging.“
Fionar nickte. Sie spürte wie Rune auch müde wurde und sich hinlegen wollte.
„Ach nein, Tante Fionar, erzähl weiter. Ich will unbedingt wissen wie ihr beide euch keinen gelernt habt. Es war bestimmt Liebe auf den ersten Blick.“
Fionar schüttelte den Kopf. „Nein meine Kleine, das was es nur teilweise. Für Rune war es das, für mich nicht“, grinste sie. „ Aber das werdet ihr schon im Verlauf der Geschichte erfahren.“
Miri scheuchte die Kinder hinein damit sie zu Bett gingen. Fionar und Rune folgten ihnen. Lorik und Marlon blieben noch etwas draußen bevor auch sie hinein gingen.